Verkehrsunfallrekonstruktion
Unfallrekonstruktion
Die Verkehrsunfallrekonstruktion ist ein weit gefächerter Bereich, welcher sich in einzelne Bestandteile aufgliedert. Die einzelnen Teilbereiche der Verkehrsunfallrekonstruktion sind nachfolgend kurz erklärt bzw. aufgezeigt.
Im Rahmen der Verkehrsunfallrekonstruktion bieten wir an:
Weg-Zeit-Betrachtung
Weg-Zeit- und Vermeidbarkeitsbetrachtungen
Weg-Zeit-Betrachtungen geben immer das Unfallgeschehen vor der stattgefundenen Kollision wieder. Diese dienen den Juristen dazu, nachvollziehen zu können, welcher Verkehrsteilnehmer sich wie verhalten hat und zu welchem Zeitpunkt dieser an welchem Ort mit seinem Fahrzeug unterwegs war. So wird juristisch beurteilbar, welche Möglichkeiten bestanden hätten, wenn der Verkehrsteilnehmer sich anders verhalten hätte, hier im Besonderen so, dass er die geltenden Verkehrsregeln beachtet hätte.
Hieraus lassen sich zwei Vermeidbarkeitsbetrachtungen ableiten:
- 1. ergibt sich die räumliche Vermeidbarkeit
- 2. gibt es die zeitliche Vermeidbarkeit.
Die räumliche Vermeidbarkeit ist dann gegeben, wenn der Verkehrsteilnehmer bei korrekt eingehaltener
Geschwindigkeit, noch vor dem eigentlichen Stattfinden der Kollision sein Fahrzeug zum Halten gebracht hätte. Der Unfall wäre somit räumlich vermeidbar gewesen.
Bei der zeitlichen Vermeidbarkeit kommt der Verkehrsteilnehmer bei der Kollisionsstelle mit seinem Fahrzeug an. Betrachtet wird jetzt allerdings der Fall, dass aus dem veränderten Fahrverhalten der veränderten Geschwindigkeit vom Ausgangspunkt bzw. Reaktionspunkt aus gesehen für den angestoßenen Verkehrsteilnehmer ein zeitlicher Vorteil entsteht, da der unfallverursachende Verkehrsteilnehmer später am Unfallort eintrifft und der Unfallgegner somit mehr Zeit hat den Kollisionsbereich zu verlassen. Wir sprechen hier von einem so genannten Fluchtweg.
Schafft es der Verkehrsteilnehmer den Kollisionsbereich zu verlassen, bevor der Unfallverursacher an dem Kollisionsort eintrifft, besteht eine zeitliche Vermeidbarkeit.
Weg-Zeit-Diagramm mit darüber angeordneter
Zeichnung der Unfallstelle für Betrachtungen
zur Vermeidbarkeit.
Unfallsimulation
Für die Simulation von Verkehrsunfällen verwenden wir zwei Softwareprogramme. Zum einen wäre hier Analyser Pro zu nennen, welches vom Ingenieurbüro Dr. Gratzer entwickelt und vertrieben wird. Bei Analyser Pro handelt es sich um eine sehr effizient und gut bedienbare Software, mit der viele Unfallabläufe gut und verlässlich zu rekonstruieren sind.
Als zweite Software setzen wir PC-Crash ein. Die Bedienung und Simulation von Verkehrsunfällen mit PC Crash ist umfangreicher, da die hier simulierten Unfälle auch in 3D-Darstellung aus beliebigen Sichtperspektiven darstellbar sind. So kann ein und derselbe Unfallablauf mit Hilfe von PC-Crash aus jeder Perspektive als Animation sichtbar gemacht werden. Ferner verfügt das Programm über ein Radkontaktspurentool sowie über einen EBS-Rechner und eine Datenbank für die vergleichende EES-Werteermittlung.
Ein weiterer und nicht zu unterschätzender Vorteil von PC Crash ist der, dass dieses Programm auch Fahrzeuggespanne simulieren kann und Fußgänger als Multibodyelemente verfügbar hat.
Bildschirmausschnitt einer Kollisionsanalyse
mit Carat-3 (oben) und einer 3-D Ansicht eines
Unfallablaufes mit PC-Crash 8.2 (unten)
HWS- Betrachtungen
Bei Verkehrsunfällen kommt es immer wieder zu Halswirbelsäulenverletzungen (HWS-Verletzungen), welche aus Heck-, Front- oder Seitenkollisionen ebenso entstehen können, wie beim Anprall gegen feste Hindernisse. Auch Brems- und Ausweichvorgänge sowie beim Spurwechsel kann es zu HWS-Verletzungen kommen.
Ob sich eine HWS-Verletzung aus technischer Sicht aus dem Unfallgeschehen ergeben konnte, lässt sich nach der Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeuges bzw. der zu betrachtenden Person die in diesem Fahrzeug beim Anstoß saß ermitteln.
Die Geschwindigkeitsänderungen für die im Fahrzeug sitzenden Personen lassen sich am einfachsten und genaustens mit einem Simulationsprogramm ermitteln, wobei hierfür die zu ermittelnde Personen ein Sensor im Fahrzeug an dessen Stelle platziert werden kann, sodass dann bei der Simulation des Unfallgeschehens die für den Insassen wirkenden Kräfte, Beschleunigungen und Geschwindigkeitsänderungen errechnet werden.
Kleinkollision-Wahrnehmbarkeit
Kleinkollisionen sind Zusammenstöße von Fahrzeugen, wie sie oft beim Rangieren oder Einparken zustande kommen. Die Geschwindigkeiten bei diesen Kollisionen sind meist sehr gering und liegen in einem Bereich von 3 bis 10 km/h. Da aber auch bei so geringen Anstößen oft teure Schäden entstehen können an den beteiligten Fahrzeugen, ist oft eine Streitfrage die, ob der Schädiger in der Lage war den Unfall zu vermeiden, da er erkennen musste, dass es zu einer Kollision kommen würde.
Ein zweiter Punkt ist der, dass der Schädiger oft den Unfallort verlässt und später dann angibt, er habe den Anstoß gegen das gegnerische Fahrzeug nicht bemerkt. Hier ist dann zu klären, ob der Unfall, wie er durch den Schädiger herbeigeführt wurde, von diesem bei der Kollision hätte bemerkt werden müssen. Kleine Anstöße können von Menschen durch ihre Sinnesorgane erfasst werden. Wir nehmen diese durch sehen, hören oder fühlen war. Da Sehen zu 80% das wichtigste Sinnesorgan beim Führen eines Kraftfahrzeuges ist, ist zunächst zu überprüfen, ob der Fahrer den Anstoßbereich visuell hätte erfassen können. Hierbei sind auch die Rückspiegel zu berücksichtigen.
Für die Wahrnehmbarkeit des Anstoßes auf akustischem Wege ist zu beurteilen, welche Geräusche beim Anstoß entstehen und welche wie in das Fahrzeug übertragen werden und inwieweit die Geräusche bei ihrer Entstehung im Innenraum dann abgedämpft noch wahrnehmbar sind. Beim Fühlen des kleinen Anstoßes ist es oft so, dass hier Brems- oder Lenkmanöver zusammen mit der Kollision fallen. Hier ist dann zu beurteilen, welche veränderten Fahrzeugbewegungen auf Grundlage des Fahrzeuganstoßes auf den Menschen wirken und ob dieser diese Veränderungen bzw. Beschleunigungen hätte wahrnehmen können.
Fotogrammetrie
Die Fotogrammetrie wird in der Unfallrekonstruktion dafür verwendet, Unfallstellen orthografisch abzubilden. Hierfür werden vermessene Teilstücke der Unfallstelle fotografisch erfasst und mit einer besonderen Software so entzerrt, dass ein gerader Blick von oben auf die Unfallstelle möglich wird.
Dieses Verfahren birgt viele Vorteile, die besonders dann greifen, wenn Schleuder- oder Driftspuren der Unfallfahrzeuge mit auf den Lichtbildern vorhanden sind. So wird es dann möglich, den exakten Schleuderweg der Fahrzeuge mithilfe einer entsprechenden Simulationssoftware so zu erfassen, dass der tatsächlich stattgefundene Unfallablauf mit großer Genauigkeit rekonstruiert werden kann.
Ein weiterer Vorteil der Fotogrammetrie ist der, dass wenn eine Unfallaufnahme maßlich nicht exakt erfolgt ist, es aber Fotos von den Fahrzeugen in den Endstellungen auf der Straße gibt, diese auf die entzerrten Straßenbereiche so positionieren zu können, dass die Endstellungen der Fahrzeuge für die Unfallrekonstruktion mit großer Genauigkeit erfasst werden können und auch hier mit großer Sicherheit und Genauigkeit die Unfallabläufe rekonstruierbar sind.
Ferner wird die Fotogrammetrie auch eingesetzt, um beispielsweise Fahrzeugteile oder Fahrzeugbereiche in eine gerade Ansicht zu überführen, beispielsweise um Reifenkontaktspuren auswerten zu können, da sich hieraus die Differenzgeschwindigkeiten der Fahrzeuge zueinander sowie deren Bewegungsrichtungen ableiten lassen.
Masche zu einer Straßenvermessung und
orthografischen Entzerrung
Glühlampenuntersuchung
Glühlampenuntersuchungen werden meist dann vorgenommen, wenn nach einem Verkehrsunfall streitig ist, ob einer der Beteiligten beispielsweise gebremst, geblinkt hat oder das Licht eingeschaltet war.
Voraussetzung ist, dass die Glühlampen durch den tätigen Sachverständigen nach einem Verkehrsunfall auf besonderen Hinweis durch den Auftraggeber gesichert werden, damit eine Untersuchung der Glühlampen erfolgen kann.
Grundlage der Glühlampenuntersuchung ist die Tatsache, dass ein Glühwendel, wenn dieser in Betrieb ist, sich durch die auf ihn wirkenden Beschleunigungskräfte, aufgrund des Massenträgheitsgesetzes, sich plastisch verformt.
Erkennbar aufgezogener Glühwendel einer
Glühlampe für die Armaturenbeleuchtung